Ein seltsamer Trend sind Hängebrücken in den Alpen. Im Artikel setze ich mich kritisch mit dieser „Verbrückung“ der Berge auseinander.
Früher waren Brücken dazu da, um Hindernisse wie Schluchten oder Flüsse auf Verkehrswegen zu überspannen. Die Römer zum Beispiel waren wahre Meister im Brückenbau, denn die Bauwerke waren nötig, um den Handel im Reich und die langen Märsche ihrer Soldaten zu gewährleisten. Wenn eine Brücke gebaut wurde, entsprang das also immer einer konkreten Notwendigkeit.
Heute werden Brücken nicht mehr nur aus einem Bedarf heraus errichtet. In den Alpen geschieht dies schon lange auch zu Vergnügungszwecken, für die Ankurbelung und Aufrechterhaltung des Fun-Tourismus. Dann fällt Politikern, Tourismus-Verantwortlichen und Investoren zum Beispiel ein, dass die zahlende Klientel unbedingt einmal über eine spektakuläre Hängebrücke gehen sollte.
Luftiges Fun-Spektakel in 112 Meter Höhe
Seit Ende November 2014 hat auch die österreichische Gemeinde Reutte ihre Hängebrücke. Die Konstruktion im Tibet-Style verbindet zwei historische Wehranlagen miteinander. Unweigerlich fällt einem das Bauwerk ins Auge, wenn man auf der Bundesstraße 179 in Richtung Fernpass unterwegs ist, denn man fährt geradewegs drunter durch. Weitgereiste Bergtourengeher kennen solche Brücken nur vom Himalaya.
Die „Highline179“, so heißt das Ding, ist 405 Meter lang, 1,2 Meter breit, 112 Meter hoch und kann maximal 500 Personen tragen. Kosten: rund zwei Millionen Euro. Rekordverdächtig. Und tatsächlich: In Reutte sind sie überglücklich über das gelungene Projekt, denn das Fun-Spektakel in luftiger Höhe hat als längste Hängebrücke ihrer Art auch noch den Eintrag ins „Guinness Buch der Rekorde“ geschafft. Wobei es natürlich vordergründiges Ziel war, die beiden geschichtsträchtigen Wehranlagen miteinander zu verbinden, sagte der Obmann des TVB Naturparkregion Reutte der Tiroler Tageszeitung. Der Eintrag ins namhafte Buch sei da nur „das Sahnehäubchen“. Wer’s glaubt.
Eine Hängebrücke für zahlungskräftige Asiaten
Hängebrücken verbinden. Sie verbinden vor allem die Interessen ehrgeiziger Tourismus-Politiker und Investoren, die dem sensationssüchtigen Touristenvolk das Unfassbare, noch nie Dagewesene bieten wollen. Im Fall der Reuttener Hängebrücke muss es für das schwindelerregende Vergnügen dann auch noch acht Euro (Erwachsenenpreis) Brückengeld berappen.
Solche Bauwerke an exponierten Stellen gibt es mittlerweile viele in den Alpen. Und immer stehen oder hängen sie wie Fremdkörper in der Landschaft, wegen derer viele Menschen eigentlich in die Berge fahren. Sie wollen einen unverbauten Blick auf die Berge und die Natur. Kein stählernes Gerüst, das ihre Sicht auf die Gipfel trübt. Im Lechtal zum Beispiel fungiert die rund 200 Meter lange Holzgauer Hängebrücke als Touristenmagnet. Im schweizerischen Sattel-Hochstuckli soll der „Raiffeisen Skywalk“, ebenfalls eine Hängebrücke mit 374 Metern Länge, den Freizeit-Adrenalin-Kick ermöglichen. Und Saalbach-Hinterglemm hat sich gleich ein Stück San Francisco nach Hause geholt. Hier steht nämlich seit 2010 die „Golden Gate Bridge der Alpen“ als Teil des höchstgelegenen Wipfelwanderwegs in Europa.
Ein weiteres Projekt, mit dem Berge für ein Massenpublikum in Szene gesetzt werden, ist der „Peak Walk by Tissot“ im Skigebiet „Glacier 3000“ in der Schweiz. Hier verbindet eine 107 Meter lange Hängebrücke die zwei Gipfel Scex Rouge und den Vorgipfel. Es ist die erste Hängebrücke zwischen zwei Gipfeln weltweit. Wie die Internationale Alpenschutzkommission CIPRA mitteilt, hoffen die Verantwortlichen mit dieser Attraktion auf einen Besucherstrom aus dem asiatischen Raum ins Berner Oberland.
Die „Möblierung“ der Alpen
Projekte wie „Highline179“ oder „Peak Walk by Tissot“ sprechen meist diejenigen an, die mit Bergen oder gar Bergsport wenig oder nichts zu tun haben. Zum Beispiel eine zahlungskräftige Klientel aus China oder Japan, die aufgedreht ihre Fotoapparate zückt und das „Big Picture“ aus dem fernen Europa knippst. Was jucken da die Eingriffe in die meist unberührte Natur? Und Gedanken, dass man diese Gipfel ohne solche Brücken wohl nie in seinem Leben erreicht hätte, macht man sich schon gar nicht. Das ist doch nur etwas für Verrückte.
Die „Möblierung“ der Alpen, wie die international tätige Naturschutzorganisation Mountain Wilderness solche Vorhaben bezeichnet, ist schon seit einigen Jahren in vollem Gange. Dabei wird die Natur den Bedürfnissen der Menschen angepasst, wo es doch eigentlich umgekehrt sein sollte. Ein Ende dieser Praxis ist derzeit – leider – nicht abzusehen.
Link-Tipps:
CIPRA – Leben in den Alpen
Mountain Wilderness
Moin aus dem hohen Norden, ich kann Dir nur zustimmen, jedoch wer bietet diesen wahnwitzigen Projektentwicklern die Stirn oder stellt angemessene Alternativen vor…
ich denke da sind wir alle gefragt, da uns die Bergwelt mit Ihren wunderschönen schroffen Sichten am Herz liegt, nicht diese Kurzfristläufer die in der Natur mehr Schaden als Nutzen hinterlassen. Ich nehme mich nicht aus, da meine Ingenieurstätigkeit die technische Lösung dieser komplexen Projekte schon spannend findet, aber letztlich möchte ich in den Bergen ursprünglich bleiben und mit der Natur im Einklang leben.
schönen Abend aus Schwerin
Thomas
Hallo Thomas,
viele Grüße aus dem Süden, und vielen Dank für deinen Kommentar. Ich denke, dass es mehrere Wege gibt, auf diese Verbauungen aufmerksam zu machen. Einer davon ist, kritisch darüber zu berichten, so wie ich es in meinem Blog versuche. Je mehr Gleichgesinnte davon erfahren, die auch einen freien Blick auf die Berge wollen, desto besser. Ein anderer Weg als Konsument ist natürlich, solche Angebote gar nicht erst zu nutzen. Viele Hängebrücken sind nicht deshalb erbaut worden, weil wie notwendig sind. Sie sind deshalb da, weil sie ein künstliches Bedürfnis nach Abenteuerlust schaffen wollen – wofür man dann auch noch Geld berappen muss.
Ich würde mich also freuen, wenn du meinen Blog-Beitrag verbreiten, teilen und weitererzählst. Falls du auf Facebook bist, hier meine Fanpage: http://www.facebook.com/wanderwuetig. Ich freue mich, wenn du meine Bloggerei weiter verfolgst.
Viele Grüße und ein erfolgreiches neues Jahr!
David