Der Klettersteig-Boom ist Ausdruck von auf Adrenalinkicks ausgerichteten Spaßtouristen. Warum ich das kritisch sehe, erkläre ich im Artikel.
„Eisenwahn oder Freude am Steigen“? Andi Dick vom Mitgliedermagazin „Panorama“ des Deutschen Alpenvereins (DAV) hat in der Ausgabe 3/2014 einen lesenswerten und kritischen Artikel zum Boom von Klettersteigen geschrieben. Wer öfter in den Alpen unterwegs ist, kann das mit eigenen Augen sehen. Viele Gipfel, die sonst nur für Kletterer oder Bergsteiger erreichbar sind, werden verdrahtet, mit Eisenstiften versehen und mit Metallleitern zugänglich gemacht. Schließlich soll jeder sein Gipfelvergnügen haben. Hauptsache man ist Schwindelfrei und hat genügend Kraft.
Adventure-Trip mit Adrenalingarantie
Auch ich sehe den Klettersteig-Boom kritisch. Zumindest dort, wo der Massentourismus mit Fun, Action und – ganz fatal – Grenzerfahrungen wirbt. Da werden anspruchsvolle Routen, die nichts für Anfänger sind, als Adventure-Trip mit Adrenalingarantie verkauft. In Wahrheit werden oft anspruchsvolle Gipfelrouten, die sich der gewöhnliche Bergsteiger oder Kletterer im Normalfall erarbeiten muss, zu Fun-Routen deklariert. Ergo steigen die Erwartungen an das Abenteuer. Gleichzeitig verlangen viele nicht versierte Klettersteiggeher eine Rundum-Sorglos-Absicherung und übernehmen wenig bis keine Eigenverantwortung.
Stürze gehen in der Regel böse aus
Ich selbst bin bislang nur einen kleinen Übungsklettersteig gegangen. Ehrliches Fazit: Mir ist das ständige Ein- und Aushaken des Karabiners irgendwie lästig. Ich kann mich gar nicht auf die Natur und die Umwelt konzentrieren, sondern muss nur das Gehänge des Klettergurts und das Seil im Blick haben. Und dann immer der Gedanke, ja nichts falsch zu machen und womöglich zu stürzen.Wie muss das erst bei Leuten sein, die wenig bis gar keine alpine Erfahrung haben und irgendwann am Fels verkrampfen, Panik bekommen und schließlich den Helikopter rufen?
Irgendwie kann ich mich mit diesem Zwischending aus Klettern und Bergsteigen nicht so recht anfreunden. Ist es das Verletzungsrisiko, das im Vergleich zum Bergsteigen weit höher ist, wirklich wert? Es ist eben etwas anderes, ob ich bei einem Sturz ein paar Meter falle und dabei hart am Fels aufschlage (Klettersteig), oder ob ich mit ausreichend Abstand zum Berg im Seil pendele (Bergsteigen).
Maßstab ist das Adrenalin der Spaßgesellschaft
Der starke Ausbau von Klettersteigen in den Alpen entspringt einer Vorstellung von Tourismus, die sich ausschließlich am Spaßgedanken, an Adrenalinkicks und letztlich am Profit orientiert. Jeder soll die Chance haben, einen Berg zu besteigen, auch wenn er vorher womöglich noch nie einen Fuß in alpines Gelände gesetzt hat. Ein verantwortungsvoller Umgang mit der eigenen Leistungsfähigkeit und folglich ein verantwortungsvoller Umgang mit dem Berg sieht anders aus.