Sie müffelt nicht und bleibt schön trocken. Funktionskleidung aus Merinowolle ist beliebt – aber die Herstellung oft grausam erkauft.
Outdoor-Bekleidung aus Merinowolle ist seit einiger Zeit der Renner. Die Klamotten riechen nicht nur nicht unangenehm nach Schweiß, sondern nehmen auch bis zu 30 Prozent ihres Eigengewichts an Feuchtigkeit auf. Dafür muss man im Vergleich zu Kleidung aus Synthetikfasern im Schnitt mehr Geld auf den Tisch legen.
Australien hält rund 74 Millionen Merinoschafe
Der Markt mit Produkten aus Merinowolle ist mit den Jahren ein Massenmarkt geworden. Allein in Australien, dem größten Merinowollproduzenten auf der Welt, werden rund 74 Millionen Merinoschafe gehalten. Aber woher kommt nun der höhere Wollertrag, der notwendig ist, um die gesteigerte Nachfrage zu bedienen? Die Anzahl an Merinoschafen kann ja nicht permanent erhöht werden.
Die Antwort: Vom Schaf selbst. Wie das geht? Indem man den Tieren eine größere Hautoberfläche anzüchtet. Klingt irgendwie absurd. Ist es auch, denn diese Praxis bringt ein ernsthaftes Problem mit sich: Wo mehr Haut, da mehr Falten. In diesen – vor allem im Bereich des Afters – bleibt so Einiges hängen, was dort nicht hingehört, insbesondere Kot. Dies freut wiederum Fliegen, die dort ihre Eier ablegen – mit fatalen Folgen für die Schafe, die sich Infektionen einfangen und oft qualvoll daran verenden.
Um dieses Problem in den Griff zu bekommen, haben sich die Schafszüchter eine grausame Methode einfallen lassen: Sie schneiden den Tieren um den After herum großflächig die Haut weg – ohne Betäubung! Das „Mulesing“, so heißt dieses Verfahren, wird von Tierschutzorganisationen auf der ganzen Welt angeprangert. Die Bilder dazu, die ich im Netz gefunden habe, erspare ich euch lieber.
Als Konsument auf „mulesing“-freie Merinowolle achten!
Was soll man als Konsument denn nun tun? Auf Produkte mit Merinowolle verzichten und nur noch auf Funktionskleidung aus Synthetikfasern zurückgreifen? Ist eine Alternative, doch bei diesen Produkten wird man zwangsläufig mit schädlichen Auswirkungen auf die Umwelt konfrontiert. Funktionskleidung im herkömmlichen Sinn besteht nämlich hauptsächlich aus Kunstfasern wie Polyester. Dann werden für die Membranen im Material bestimmte Chemikalien wie Fluor in verschiedenen toxischen und schwer abbaubaren chemischen Verbindungen verwendet.
Es scheint, als müssten wir in irgendeinen der beiden sauren Äpfel beißen, wenn wir Outdoor-Kleidung kaufen. Wollt ihr euch Klamotten aus Merinowolle gönnen, fragt also beim Kauf nach, woher die Wolle dafür stammt. Ob ihr mit einer befriedigenden Antwort rechnen könnt, bleibt natürlich abzuwarten.
Auf der sicheren Seite seit ihr zum Beispiel bei der österreichischen SCROC GmbH. Der Online-Shop des Unternehmens bietet nachhaltige Outdoor-Kleidung aus australischer Merinowolle an und arbeitet dafür ausschließlich mit mulesingfreien Bauern zusammen.
Nachfragen könnt ihr aber auch direkt beim Hersteller. Ich habe das mal bei VAUDE und Schöffel gemacht. VAUDE hat die Verantwortung für Mensch und Natur als unternehmensweiten Grundsatz verankert. Dort sagt man mir: „Die ‚Mulesing‘-Problematik ist uns als Outdoor-Hersteller bewusst und wir sind entsprechend sensibilisiert. Bei unseren Produkten achten wir sorgsam auf die Materialauswahl entsprechend unserer internen Material Policy. Ausserdem haben wir mit der Green-Shape-Garantie ein entsprechendes Label für nachhaltig und fair produzierte Produkte. Bei tierischem Ursprung wie Daune, Leder oder Wolle sehen wir deshalb eine besondere Verpflichtung hinsichtlich der Tierhaltung.“
Auch Schöffel hat sich nach eigenen Angaben mit der Mulesing-Problematik befasst. Dort heißt es: „Die Wolle für unsere Produkte, zum Beispiel Unterwäsche, stammt ausschließlich aus Schafzuchtbetrieben, die auf das Mulesing-Verfahren verzichten und die ihre Herden artgerecht halten. Das lassen wir uns schriftlich geben.“ Schöffel verweist dabei auf seinen Social Report, einer Dokumentation zu den Arbeitsbedingungen in den Herstellerländern.
Funktionskleidung aus Merinowolle von Aclima ist mulesing-frei
Der norwegische Hersteller Aclima zum Beispiel legt bei der Herstellung seiner funktionalen Base Layer und Mid Layer ein besonderes Augenmerk auf Umwelt- und Tierschutz sowie soziale Verantwortung. Insbesondere die Zucht der Merinoschafe spielt eine entscheidende Rolle. Um höchste Standards zu garantieren, arbeitet Aclima eng mit zertifizierten Produzenten aus Neuseeland, Australien und Tasmanien zusammen. Für Neuseeland ist das Zertifikat „ZQ Merino“ maßgeblich.
Worum es bei diesem Zertifikat geht, lest ihr in meinem Blog-Artikel „Outdoor-Bekleidung: Merinowolle von glücklichen Schafen“. Für Aclima habe ich auch schon mehrere Produkte aus 100 Prozent Merinowolle oder mit Merinowolleanteil testen dürfen. So beispielsweise das „Lightwool Speed Shirt“ sowie das „HotWool 230G Crew Neck Shirt“.
Nachhaltige Produktion von Merinowolle auch bei ORTOVOX und Icebreaker
Engagement und Verantwortung in Sachen nachhaltiger und tierfreundlicher Produktion von Funktionskleidung aus Merinowolle zeigt auch der bayerische Hersteller ORTOVOX. Mit dem „ORTOVOX Wool Promise“ (OWP) hat das Unternehmen einen markeneigenen Wollstandard ins Leben gerufen, bei dem der Tierschutz im Mittelpunkt steht. Basierend auf dem „Responsible Wool Standard“ (RWS) folgt dieser Standard einem noch umfänglicheren Ansatz: Das OWP konzentriert sich auf die Bereiche Tierschutz, Farm- und Landmanagement sowie Schlachtung und Transport. Über 60 Indikatoren werden in regelmäßigen Audits durch externe Prüfer auf den Farmen kontrolliert. Außerdem hat ORTOVOX für seinen Einsatz für faire Arbeitsbedingungen den sogenannten Leader-Status von der unabhängigen Non-Profit Organisation Fair Wear Foundation (FWF) erhalten.
Icebreaker, eigenen Angaben zufolge das erste Unternehmen der Welt, das langfristige Verträge mit wichtigen Merino-Schafzüchtern abzuschloss, engagiert sich für Umwelt- und Tierschutz. Auf seiner Webseite wirbt es für die sogenannten „fünf Freiheiten“ seiner Merinoschafe:
- Jedes Schaf muss Zugang zu sauberem Wasser und angemessener Nahrung haben.
- Die Schafe können auf offenen Weidelandschaften umherziehen und ihrem natürlichen Verhaltensmuster nachgehen, mit minimaler menschlicher Intervention.
- Die Schafen haben stets ausreichend Schatten und Unterschlupf zur Verfügung.
- Die Herden werden regelmäßig überwacht, unnötiger Stress und Schmerzen vermieden, Krankheiten und Seuchen verhindert sowie Gesundheitsprobleme unverzüglich diagnostiziert.
- Mulesing darf nicht praktiziert werden.
Die Outdoor-Branche strebe insgesamt zu noch mehr Transparenz in der Lieferkette für Wolle, so Benedikt Tröster von VAUDE. So arbeite etwa die amerikanische Organisation TextileExchange an einem „Responsible Wool Standard“. Vielleicht gibt es ja irgendwann eine Liste mit Herstellern, die auf „museling-freie“ Wolle setzen. Fände ich wünschenswert.
Das Beste ist, nicht soviel Kram zu kaufen. Man braucht ja auch keine 100 Paar Outdoorunterwäsche, mit 3-4 komme ich locker über die Runden. Auf Tour nehme ich meist nur zwei Paar mit: für tagsüber outdoortauglich und abends Standardbaumwolle. Und da man das nicht täglich anzieht, hält es auch etliche Jahre. Bei dem ganzen anderen Geraffel (Gorejacken etc.) im Prinzip genau das gleiche..
Hallo Thorsten,
danke dir für dein Statement. Ja, ich denke auch, dass ein persönliches Beschränken auf das Wesentliche eine Lösung sein kann. Man braucht ja nicht 5 Merinowoll-Shirts oder dergleichen. Wenn das gute Qualität ist, sollte es länger halten, entsprechend weniger braucht man dafür im Kleiderschrank.
Gruß, David
PS. Du scheinst ja ein wahrer Gipfelsammler zu sein. 😉
Hallo David,
richtig, genauso verhält es sich z.B. auch bei dem Goretex-Zeug und den Chemiediskussionen. Ich habe nur eine (gute) Gorejacke und die ist auch schon 10 Jahre alt. Zudem ich sowieso versuche diese möglichst selten zu nutzen (und lieber bei Sonnenschein unterwegs zu sein 😉 ).
Hehe, ja, auf dem ein oder anderen Gipfel war ich bereits.. ;)) Lieber sammle ich diese als Klamotten.. 🙂
Gruß,
Thorsten
Hei David,
bin grade durch gehlebt.at auf deinen Bericht gestoßen. Ich finde es großartig, dass du das Thema ansprichst!
Ja, leider ist es so, dass nur die wenigsten Hersteller darauf achten..und der Massenmarkt boomt. Ich finde es wichtig, so etwas zu wissen und sich bei dem Hersteller zu erkundigen (wenn sie kein Mulesing verwenden, steht es ja meist auf ihrer Webseite) und es nicht einfach zu ignorieren.
Auch ist Merino nicht das nonplusultra, wie es oft dargestellt wird: wer viel und lange unterwegs ist (mit einem schweren Rucksack), bei dem scheuert auch das beste Merinotshirt irgendwann (…relativ schnell) durch. Deswegen bin ich sehr gespalten, ob ich wirklich gern 100 Euro für ein Shirt ausgebe, was nach einer 100 km Wanderung mit 15 kg Rucksack (wenn keine Jacke drüber) durchscheuert. Synthetikfaser hat aber natürlich auch viele Nachteile, ist auch aus der Umweltperspektive nicht ganz zu begrüßen. Schade, dass sich Biobaumwolle auf langen Wanderungen nicht wirklich eignet.
Irgendwie ist das immer ein Gegensatz: Leute, die gerne lange in der Natur unterwegs sind, sind auf giftige oder tieleideinbringende Stoffe angewiesen.
Da bringt es auch nichts, wenn man den Stoff viele Jahre benutzt (Gore Tex wird auch nach 10 Jahren giftige Fluoride ausstoßen, genauso werden aus einer alten Fleecejacke nach 100 Wäschen unzählige Mikroplastikteilchen mit jeder weiteren Wäsche rauskommen).
Ich bin auf die Entwicklung neuer Stoffe gespannt. Bis jetzt ist es leider ein recht schwieriges und kontroverses Thema!
Bis dahin gilt, was du treffend formuliert hast: „Es scheint, als müssten wir in irgendeinen der beiden sauren Äpfel beißen, wenn wir Outdoor-Kleidung kaufen.“
Liebe Grüße,
Ana
Hei Ana,
ich danke dir sehr für deinen Kommentar. Mit dem Aufgreifen des Themas bin ich offensichtlich nicht falsch gelegen. Das mit der Haltbarkeit von Produkten aus Merinowolle, die du ansprichst, war mir so nicht bewusst. Ist ein interessanter Aspekt. Ich muss auch sagen, dass ich bislang außer einem dünneren Fleece noch keine Klamotten aus Merinowolle hatte. War mich persönlich immer zu hochpreisig. Wie du meinem Artikel entnehmen kannst, ist man bei VAUDE und auch wohl bei Schöffel auf der richtigen Seite, wenn es um solche Produkte geht.
Ich war natürlich auch auf deiner Webseite. Spannend, spannend … Im hohen Norden Europas war ich noch nie. Mich zieht es bislang eher in mediterrane Gefilde, bin auch regelmäßig auf Mallorca im Tramuntana-Gebirge zum Wandern unterwegs. Schnee sehe ich auf meinen Touren meist nur, wenn es eine Gletschtertour ist – oder ich halt im Winter hier rausgehe. 😉
Danke dir auch fürs Liken meiner FB-Seite. Habe das gleiche gerade getan, dir aber gestern versehentlich eine Freundschaftsanfrage geschickt, obwohl ich eigentlich die Seite liken wollte. Wenn du also nicht weißt, wer Da Vide ist, so weißt du es jetzt. 😉 Über weitere „Gespräche“ hier im Blog oder über FB zwecks Outdoor, Wandern etc. würde ich mich freuen.
Liebe Grüße!
David
Hallo und Danke für den informativen Beitrag! Ich werde in Zukunft mal darauf achten. Zunächst einmal werde ich bei der Merino Kleidung nachschauen, die ich vor einiger Zeit mal gekauft habe, ob sich Informationen darüber finden, und dann auch, wenn ich Merino-Kleidung sehe.
Kaipara wäre noch zu nennen.
Merino aus Südamerika ist generell mulesingfrei, da es den Parasit dort nicht gibt, der eine Behandlung notwendig macht. Woolpower kauft seine Wolle ausschließlich dort.
Hallo Tom,
herzlichen Dank für die wertvollen Hinweise. Kannte Woolpower bislang noch nicht. Sehr schön. 🙂
Liebe Grüße!
David
Hallo zusammen, ich besitze Shirts von Fa.Dilling/Dänemark. Auch dort wird auf Nachhaltigkeit und Tierwohl Wert gelegt. Die Wolle kommt aus Südamerika, auch beim Färben wird auf Umweltschutz geachtet.
Bin sehr zufrieden mit den Shirts, trage sie täglich, Sommer und Winter, und bisher ist noch keins kaputt gegangen.
VG , Wolfgang
Hi Anastassija, danke für Deine Ansicht zu dem Thema, welches David hier tollerweise posted. Obwohl ich aus Umweltschutz Gründen viel zu Nachhaltigkeit und artgerechter Tierhaltung lese, und z.B. überwiegend Demeter zertifizierte Lebensmittel kaufe, wusste ich weder von dem Mulasing noch von den giftigen Fluriden in Gore TeX. Ich meide hypes und bin z. B der einzige in meiner DACH-Wandergruppe der fast nur (100%) Baumwoll-Shirts anstatt irgendwelche „Funktions“ Shirts auf mehrtages-Hütten Touren trägt. Siegel und Zertifizierungen sowie Kennzeichnung sind ein wichtiger Ansatz. Wobei da sicher noch Luft nach oben ist. Beängstigend finde ich z. B. dass selbst Deutsche Unternehmen die sich dem Klimaschutz verschrieben haben, in China produzieren lassen.