Norman Bücher ist Extremsportler, Abenteurer und Vortragsredner. Und wohnt bei mir um die Ecke im Nordschwarzwald. Im Interview erzählt er über das, was ihn zu sportlichen Höchstleistungen antreibt und warum das Verschieben eigener Grenzen wichtig ist.
Norman, du bist zurück von deiner Expedition in die iranische Kavir-Wüste. Dein Plan war, die Wüste zu Fuß von Nord nach Süd zu durchqueren. Leider musstest du das Projekt kurz nach dem Start wegen eines polizeilichen Verbots abbrechen. Wie bist du mit diesem Rückschlag umgegangen?
Anfangs war es sehr schwierig für mich. Ich habe sehr viel Zeit, Energie und Herzblut in dieses Projekt investiert. Und dann war die Expedition nach nicht einmal 20 Kilometern für mich beendet. Ich wollte laufen, war sehr gut vorbereitet und durfte nicht. Das war schon sehr bitter.
Nach ein paar Tagen – mit ein bisschen zeitlichem Abstand – ging es mir wieder besser. Ich habe mich immer wieder gefragt: Was ist das Gute an dieser Situation? Ich versuchte, die positiven Aspekte der Reise zu sehen. Die enorme Gastfreundschaft, die Herzlichkeit der Iraner, die Schönheit der Landschaft. Wenn ich mich ausschließlich auf den sportlichen Ausgang dieses Projekts fokussiert hätte, dann würde ich heute immer noch traurig sein.
Was nimmst du von diesem krassen Erlebnis mit für deine zukünftigen Outdoor-Projekte?
Dass es im Leben manchmal anders kommt als du denkst. Das bezieht sich natürlich nicht nur auf den sportlichen Bereich, sondern ist allgemeingültig. Du kannst nicht immer alles zu 100 Prozent planen und voraussehen.
Du hast bereits Extremläufe im Himalaya und in Bhutan absolviert. 265 Kilometer bist du durch das Königreich gelaufen. Und in 42 Stunden um das Mont-Blanc-Massiv. Was treibt dich zu solchen Leistungen an?
Sicherlich ist es kein Hang zum Masochismus, der mich antreibt. Auch nicht auf das Sammeln von Rekorden und Medaillen kommt es mir an. Eher schon Neugier. Neugier auf die Erforschung der eigenen Grenzen. Körperlich und mental. Man kann auch sagen, dass es mir um die Intensität der Erfahrungen geht. Erfahrungen, über einen toten Punkt zu gehen, eine ausweglos erscheinende Situation zu meistern, über sich hinauszuwachsen, die eigene Grenze verschieben zu können. Das sind für mich besondere, intensive Lebensmomente, die ich bewusst suche und die mich antreiben.
Was hilft dir, dich für diese Vorhaben immer wieder zu motivieren?
Die Neugier auf Fremdes und die Begegnung mit anderen Menschen motivieren mich ungemein. Menschen, deren tägliche Essensration gerade für sie selbst ausreicht und die mich als Fremden trotzdem zum Essen einladen. Menschen, die mit einer freundschaftlichen Unbefangenheit auf mich zukommen. Menschen, die aus meiner Sicht mehr geben als nehmen. Diese Offenheit, Neugier und Warmherzigkeit, mit der mir Menschen auf meinen Reisen begegnen, erfüllen mich mit großer Zufriedenheit.
Aber auch die Faszination für einzigartige Landschaften und das Eintauchen in die Natur motivieren mich zu meinen Laufabenteuern. Die Stille und Einsamkeit der Wüste. Die Abgeschiedenheit und Unberechenbarkeit der Berge. Die Lebendigkeit und Intensität des Dschungels.
Warum ist es wichtig, seine eigenen Grenzen auch zu verschieben und neu zu definieren?
Um persönlich zu wachsen und sich persönlich weiterzuentwickeln. Ein Grundbedürfnis des Menschen. Die Natur ist hier ein wunderbares Beispiel. Jede Pflanze will wachsen. Jeder Baum, jede Blume, jeder Busch.
Eines deiner zentralen Motti lautet: „Die Grenze ist dort, wo die menschliche Vorstellungskraft endet.“ Wo würdest du deine persönliche Grenze setzen?
Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, wo meine Grenze nicht ist.
In den letzten Jahren werden extreme Leistungen im Outdoor-Sport zunehmend medial thematisiert und vermarktet. So zum Beispiel im Rahmen der European Outdoor Film Tour (EOFT). Was hältst du von dieser Entwicklung?
Ich sehe diese Entwicklung mit gemischten Gefühlen. Gegen eine mediale Berichterstattung und Vermarktung spricht an sich nichts. Ich lebe ja beispielsweise auch von der Vermarktung meiner Abenteuer. Nur sollte diese mediale Außendarstellung authentisch, ehrlich und in gewissen Bahnen ablaufen. Aus einem organisierten Straßen-Marathonlauf den größten, längsten oder härtesten Event zu machen, halte ich für den falschen Weg und unsinnig.
2014 wollten die Extremsportler Sebastian Haag und Andrea Zambaldi zwei Achttausender innerhalb von sieben Tagen besteigen und die Strecke zwischen den Bergen zu Fuß und auf dem Mountainbike zurücklegen. Sie kamen dabei ums Leben, Spiegel Online berichtete live. Sollte man über solche Rekordversuche berichten, oder fördert dies nicht vielmehr die Tendenz zu einem „Immer-Höher-Schneller-Weiter-Spektakulärer“?
Dieses „Immer-Höher-Schneller-Weiter“ halte ich für gefährlich. Ich habe darüber schon an anderer Stelle geschrieben. Aber Superlative und Rekorde lassen sich eben gut verkaufen.
Welche Bedeutung haben Berge für dich?
Ich liebe die Berge. Mich zieht es immer wieder dorthin. Ob in den Himalaya, die Anden, die Pyrenäen oder die Alpen. Aber auch wenn es „nur“ der heimische Nordschwarzwald ist – was ja keine wirklichen Berge sind, sondern eher Hügel –, wo ich mich fast täglich aufhalte. Das ist ein großes Privileg.