Für Genusswanderer ist der Premiumweg „Harmersbacher Vesperweg“ genau das Richtige. Die Sorge um genug Proviant im Rucksack kann man sich nämlich schenken. Ich war bei der offiziellen Eröffnung dabei.
Während ich das hier schreibe, beiße ich genüsslich in eine fein geräucherte Vesperwurst von Markus Schwarz. Dem kernigen Schwarzwälder gehört Danises Hofladen mit angeschlossener Probierstube in Oberharmersbach. Hier kann man den Schwarzwald schmecken und sich kulinarisch einstimmen auf die rund 14 Kilometer lange Wanderung auf dem „Harmersbacher Vesperweg“. Der Name des neuen Premiumwanderwegs ist Programm; er reiht sich nun ein in die Liste der bereits bestehenden 33 sogenannten Schwarzwälder Genießerpfade.
Markus Schwarz‘ Hofladen ist die erste Station, auf der sich Wanderer mit typischen Schwarzwälder Spezialitäten für ausgedehnte Vesperpausen eindecken können. Und natürlicht tut dies auch die rund 60 Männer und Frauen starke Wandergruppe, die an diesem verregneten Vormittag den Weg zur Tourist-Information Oberharmersbach gefunden hat, um den „Harmersbacher Vesperweg“ offiziell einzuweihen. Am Abend zuvor hatte ich mit der Geschäftsführerin der Tourist-Information Oberharmersbach, Jill Löffler, gemütlich zu Abend gegessen und mich schon einmal gedanklich auf den kommenden Tag eingestimmt.
In Danises Hofladen ist der Kauf von Proviant Pflicht
Das Konzept des „Harmersbacher Vesperwegs“ ist einfach erklärt: wandern und genießen. Während der Blick weit über die Wipfel des Schwarzwalds bis hinüber zu den Vogesen schweift, lässt man sich Schwarzwälder Schinken, Rohwürste und das eine oder andere Stamperl Schwarzwälder Kirschwasser oder Zibärtli schmecken. Ein Brand aus wilder Mirabelle, die in dieser Gegend schon im Mittelalter heimisch war.
Ich bin begeistert vom Angebot, das Markus Schwarz in seinem Hofladen offeriert und beginne eifrig zu fotografieren. Das entgeht dem Inhaber natürlich nicht und er fragt, ob ich von der Presse sei. „So etwas Ähnliches“, sage ich. „Blogger.“ Gedankenschnell sagt Schwarz: „Kommen Sie mal mit“, und führt mich hinter der Verkaufstheke herum in seine Räucherkammer.
Ich staune nicht schlecht, als er die schwere Tür des Räucherschranks öffnet und sich vor mir die ganze kulinarische Pracht des Schwarzwalds offenbart: Schwarzwälder Schinken, akkurat nebeneinander aufgereiht. Rauch entweicht der Kammer und hüllt mich mit typischem Räucheraroma ein. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Einfach fantastisch für einen Hobby-Kulinariker wie mich.
Die Wandergruppe zieht weiter, während Markus Schwarz mir noch schnell zwei Paar Rohwürste zusteckt. „Die schenke ich Ihnen“, sagt er. Als Gegenleistung versichere ich ihm, ihn und seinen Hofladen in meinem Blog-Artikel zu erwähnen. Wie ihr lest, habe ich Wort gehalten.
Der Weg führt weiter über sanfte, jetzt im Mai sattgrüne Wiesenhänge, bis zum „Brunnenhisli“, auf Hochdeutsch Brunnenhäuschen. Hier lagern in einem in Fels eingehauenen Holzregal allerlei kühle Getränke für den durstigen Wanderer, die man gegen einen kleinen Obulus erwerben kann.
Das Wetter ist einer Wanderwegeröffnung zwar nicht unbedingt würdig, aber der Schwarzwald hat auch bei Regen Charme. Dichte Wolken ziehen tief übers Harmersbachtal, die umliegenden Gipfel sind kaum zu erkennen. Weiter oben aber, inmitten bunter Wiesen, bekomme ich einen Eindruck davon, welches Panorama einen hier erwartet, wenn erst einmal die Sonne scheint. Mein Blick schweift hinüber bis zum benachbarten Kinzigtal, mehr lässt der Himmel heute leider nicht zu.
Die Erfinder des „Harmersbacher Vesperwegs“ haben sich Kreatives einfallen lassen, um den Wanderern Gelegenheiten zum Ausruhen und Genießen zu ermöglichen. Eine davon ist ein 30 Meter langer Baumstamm, in den verschiedene Sitzmöglichkeiten eingearbeitet wurden. Hier lässt es sich bei bester Aussicht auf das Harmersbachtal bequem vespern.
Den „Harmersbacher Vesperweg“ empfehle ich dem Genusswanderer, der weniger die sportliche Herausforderung sucht, sondern vom Alltag abschalten und die Seele baumeln lassen will. Auch Familien mit Kindern fühlen sich hier sicher wohl, denn die Forstwege lassen sich ohne Schwierigkeiten meistern. Zumal die Erbauer des „Vesperwegs“ ab und an auch an eine spielerische Abwechslung am Wegesrand gedacht haben.
Romantisch wird es weiter oben Richtung Regeleskopf am sogenannten „Schmusehisli“. Ja, wieder so ein alemannischer Ausdruck. Ihr habt die Übersetzung schon parat? Richtig. Es handelt sich dieses Mal um ein Schmusehäuschen. Ein liebevoll mit Vorhängen ausgestattetes Häuschen mit einer ergonomischen Sitzbank zum Chillen. Für Zwei, versteht sich. Obwohl ich niemand zum Schmusen dabei habe, teste ich diese Sitzgelegenheit kurz und lasse mich auch gleich mal ablichten. Ich erahne den grandiosen Weitblick, den man hier hat – wäre, ja wäre es wolkenlos.
Nicht mehr weit und ich erreiche die Kreuzsattelhütte auf rund 700 m ü. NN. Hier führt der Fernwanderweg Westweg vorbei. Die Kreuzsattelhütte ist für alle, die süße Sünden lieben, ein Muss. Außergewöhnlich leckere Kuchen gibt es hier oben – so viele verschiedene, dass mir die Entscheidung schwer fällt. Ich bin derart begeistert, dass ich vor lauter Schlemmerei vergesse, Bilder vom zuckrigen Angebot zu machen. Auch Eltern mit Kindern finden in der Kreuzsattelhütte ein lauschiges Plätzchen zum Ausruhen, während sich die Sprösslinge draußen auf dem Spielplatz austoben können.
Nach rund einer Dreiviertelstunde laufe ich weiter und erreiche über den Westweg den Harkhof. Auch das eine Vesperstube, von der ich aber an diesem Tag nichts sehen werde. Das Wetter ist einfach zu schlecht, um jetzt noch das letzte Teilstück bis nach Riersbach weiterzuwandern und hier oben einzukehren. So entgeht mir der letzte Aussichtspavillon auf dem „Köpfle“, aber viel gesehen hätte ich ohnehin nicht. Ich steige in das Bus-Shuttle, das für diesen Tag extra am Harkhof eingesetzt wird, um den Weg zurück ins Tal abzukürzen. Rund 15 Minuten später bin ich wieder am Ausgangspunkt, der Tourist-Information in Oberharmersbach.
Bevor ich es vergesse: Verpasst habe ich wegen der Abkürzung auch noch ein weiteres „Hisli“, auf das ich in Riersbach gestoßen wäre: das „Brennhisli“. Nein, hier brennt es nicht, aber hier wird gebrannt, nämlich Schnäpse und Liköre. Wer nach so viel Genusswandern noch Kondition hat, kann hier auch auf kurzfristige Anfrage hin einen Einblick in die Welt des Hochprozentigen bekommen. Wem es allerdings lieber nach Abkühlung ist, findet diese im Freibad von Oberharmersbach. Aber dafür muss es erst einmal Sommer werden.
Weg-Fazit
Der „Harmersbacher Vesperweg“ ist zum Gehen nicht besonders schwierig. Er verläuft hauptsächlich auf Forstwegen und steigt insgesamt 490 Meter an. Das sollte auch für den halbwegs ungeübten Wanderer noch machbar sein. Wer mit Kindern unterwegs oder schlecht(er) zu Fuß ist, kann bis zum Harkhof mit dem Pkw fahren und von dort zum Beispiel zur Kreuzsattelhütte wandern. Die Strecke ist durchweg gut beschildert, so dass ein Verlaufen sehr unwahrscheinlich ist.
Diejenigen, die den Schwarzwald noch nicht kennen, bekommen auf dem „Harmersbacher Vesperweg“ den perfekten ersten Eindruck davon. Eine typische Schwarzwald-Landschaft mit weiten Ausblicken und saftigen Wiesen. Die über den Weg verteilten Sitzgelegenheiten bieten allesamt ein hochkarätiges Schwarzwald-Panorama, das sich unweigerlich im Kopf festsetzt. Hier wird der Schwarzwald so richtig in Szene gesetzt.
Ein Alleinstellungsmerkmal des „Harmersbacher Vesperwegs“: Man braucht sich nicht den Kopf zu zerbrechen, was man an Proviant mitnimmt. In den Vesperstuben am Wegesrand lässt sich der Rucksack mit allerlei Schwarzwälder Gaumenfreuden füllen. Es wäre ein törichter Fehler, es nicht zu tun.