Armenien ist ein Land von historischer und kultureller Vielfalt und liegt an der Schwelle vom Okzident zum Orient. Wenn du gerne abseits von Touristenströmen wanderst und facettenreiche Routen suchst, solltest du in Armenien aufschlagen.
Nadia Hovhannisyan ist die Gründerin und CEO des Reiseunternehmens COMPASS TRAVEL – ein lokaler Reiseveranstalter für naturnahe Reisen in Armenien. Über unseren Facebook-Kontakt entstand die Idee dieses Interviews, in dem Nadia berichtet, warum es sich lohnt, zum Wandern nach Armenien zu reisen.
Nadia, welche Landschaften erwarten mich, wenn ich zum Wandern nach Armenien komme?
Bei den Wanderungen in Armenien wird man großartige Landschaften erleben. Jede Region ist einzigartig und bietet unterschiedliche Landschaftsbilder: herrliche Bergwelten, geheimnisvolle Schluchten, bizarre Felsformationen, dichte Wälder, Almwiesen, wunderschöne Wasserfälle, sonnige Weinregionen und natürlich der atemberaubende Anblick des majestätischen Berges Ararat.
Armenien bildet die geografische und kulturelle Grenze zwischen Europa und Asien. Den Besuch welcher Kulturgüter empfiehlst du?
Es gibt viele historische Stätten, die sich mit ihren beeindruckenden und bewegenden Geschichten wie selbstverständlich in das Herz der Landschaft einfügen. Wer in Armenien wandert, wird feststellen, dass Natur und Kultur hier eng beieinander liegen. Es gibt zahlreiche Kulturschätze, die man auf einer Wanderung entdecken kann. Zum Beispiel der Sonnentempel von Garni aus dem 1. Jahrhundert. Wer ihn besucht, sollte auch unbedingt zur Azat-Schlucht wandern. Hier finden sich einzigartige, bis zu 300 Meter hohe Formationen aus Basalt, die sogenannte „Symphonie der Steine“.
Auf ihren Routen können sich die Wanderer auch verschiedene Kirchen und Klöster ansehen. So etwa das Felsenkloster Geghard aus dem 13. Jahrhundert im Osten des Landes. Es gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe. Das Kloster wurde komplett aus einer Felswand herausgeschlagen und ist mit Schnitz- und Steinmetzarbeiten verziert.
Dann das Kloster Chor Virap mit seinem faszinierenden Blick auf den schneebedeckten, 5.137 Meter hohen Berg Ararat. Das Kloster Tatev oberhalb der imposanten Worotan-Schlucht ist das wichtigste Denkmal im Süden Armeniens. Es liegt rund 300 Kilometer von der Hauptstadt Jerewan entfernt. Wer nicht zum Kloster hinauf wandern will, kann dafür die Seilbahn „Tatev“ benutzen – mit zirka 5.800 Metern die längste in einer Sektion mit durchgehendem Tragseil ausgeführte Pendelbahn der Welt.
Weitere, sehenswerte Bauten sind die Klöster Sanahin in der Provinz Lori im Norden sowie das knapp vier Kilometer entfernte und in Sichtweite liegende Haghpat. Beide werden seit 1996 als UNESCO-Weltkulturerbe gelistet.
Ein landschaftlicher Höhepunkt für Wanderer ist die „Blaue Perle Armeniens“, der Sewansee. Er liegt auf rund 2.000 Metern Höhe und ist damit einer der höchstgelegenen Seen der Welt. Mit 940 Quadratkilometern ist der See fast doppelt so groß wie der Bodensee.
Ach ja, und natürlich die bekanten Weinrouten und Weingüter. Die Region um das Dorf Areni hat eine sehr lange Weinbautradition. So wurden in der Nähe des Dorfes ein Weinkeller mit Gerätschaften entdeckt, der vor über 6.000 Jahren für die Weinbereitung verwendet wurde. Faszinierend ist: Die Areni-Traube ist die wohl ursprünglichste Edelrebsorte der Welt. Wanderer kommen vor allem im Süden Armeniens immer wieder an Weinanbaugebieten vorbei.
Wann ist die beste Jahreszeit, um in Armenien zu wandern?
In Armenien ist das Klima eher kontinental, die Sommer sind also meistens heiß und trocken und die Winter kalt. Um beim Wandern die Schönheit des Landes in vollen Zügen zu erleben und traumhafte Panoramablicke zu erhaschen, empfehle ich einen Besuch von Anfang Mai bis Mitte November. Wer als Bergsteiger nach Armenien kommt, sollte von Ende Mai bis September anreisen.
Welche Berge in Armenien sollte man unbedingt besteigen? Welche Empfehlungen hast du für Gipfelstürmer?
Ein faszinierendes Erlebnis ist die Besteigung des Aragaz, ein erloschener Vulkan mit vier Gipfeln. Mit 4.090 m ist er der höchste Berg Armeniens. Die Gegend ist ein Paradies für Wanderer: frische Luft, alpine Landschaften und der glasklare Steinsee Kari Lich auf 3.190 m. Auf einer Tagestour kann man den Südgipfel (3.879 m) besteigen.
Ein weiterer Höhepunkt ist der erloschene Vulkan Azhdahak und sein Kratersee auf 3.597 m. Er bildet die höchste Erhebung der malerischen Geghama-Bergkette. Weit verstreut um einen kleinen See in der Caldera des erloschenen Vulkans Ughtasar auf 3.300 m können Gipfelstürmer so genannte Petroglyphen aus prähistorischer Zeit bewundern – Bilder, die einst in Felsblöcke vulkanischen Ursprungs eingearbeitet wurden.
Alle Touren sind vom Schwierigkeitsgrad her mittelschwierig bis schwierig. Mit der richtigen Ausrüstung wird das Wandern und Bergsteigen in Armenien also zu einem besonderen Erlebnis.
Worauf muss ich achten, wenn ich in Armenien ein mehrtägiges Trekking absolvieren will? Welche Art von Unterkünften gibt es?
Je nach Vorlieben und Reisebudget gibt es in Armenien eine große Auswahl an Unterkünften. Das geht von hübsch eingerichteten und voll ausgestatteten Boutique-Hotels und gemütlichen Gästehäusern über Ferienwohnungen bis hin zu einfachen Unterkünften und einem Aufenthalt bei den gastfreundlichen Einheimischen.
Wer in Armenien wandert, wird unterwegs immer wieder authentische Begegnungen mit Einheimischen erleben, die einen Einblick in ihren Alltag geben. Was die Verpflegung anbelangt, so dürfen sich Wanderer auf Gerichte mit frischen, lokalen Naturprodukten freuen, die den Wanderungen eine ganz besondere „Würze“ verleihen.
Kann ich in Armenien auch wild campen beziehungsweise zelten?
Ja, in Armenien kann man wild campen. Wie in jedem Land gelten aber auch in Armenien allgemeine Regeln, die Camper beachten sollten. Grundsätzlich verboten ist das Campen in Nationalparks, Naturschutzgebieten und auf privaten Grundstücken. Wer wandert und campen möchte, dem gebe ich gerne hilfreiche Tipps.
Ahhhh…jetzt ist Armenien einen ganzen Schritt weiter nach oben auf meiner Bucketlist gerutscht. Vielen Dank für das aufshclußreiche Interview und den Artikel!
Hallo Kristof,
vielen Dank für deinen Kommentar. Freut mich, dass wir dir Appetit auf Armenien machen konnten, das war die Intention. 🙂
Schöne Grüße!
David
Wow! Das klingt spannend. Armenien fand ich als Jugendlicher schon interessant, wo ich von Franz Werfel die „40 Tage des Musa Dagh“ gelesen habe. Leider war unser Auslauf damals auf max. Bulgarien beschränkt, von den UdF-Aktivisten abgesehen. In letzter Zeit habe ich viel Positives über Georgien als spannende Reiseregion gehört und dafür schon einige Lust entwickelt. Armenien ist ja gleich daneben. … das wird wohl eine sommerfüllende Angelegenheit 🙂
Liebe Grüße!
Bernd
Hallo Bernd,
vielen Dank für deinen Kommentar. Falls du nach Armenien reisen und das Angebot von Nadia nutzen solltest, gib gerne Bescheid und richte ihr liebe Grüße von mir aus. 🙂
Liebe Grüße
David
Ich freue mich, mal wieder die UdF-Aktivisten erwähnt zu sehen!
Seit ich ein tolles Buch über sie gelesen habe – https://andreas-moser.blog/2020/10/18/udf/ -, sind das nachträglich meine Vorbilder.
Ich war auch mal einen Sommer im Kaukasus und würde Georgien und Armenien tatsächlich verbinden. Beides wunderbar, aber auch anders.
Auf der gleichen Reise war ich auch in Abchasien (eine der positivsten Überraschungen meines bisherigen Reiselebens) und in Aserbaidschan (eher das Gegenteil).
Hallo David,
Armenien hatte ich so gar nicht auf dem Schirm… Das hat sich jetzt geändert. Ein neues Land zum Wandern ist auf meine „ToDo“-Liste gewandert…
Herzlichen Dank für die Inspiration und viele Grüße
Thomas
Hallo Thomas,
vielen Dank für deinen Kommentar. Es freut mich sehr, dass ich dich durch meinen Beitrag für Armenien begeistern konnte. Das war der Anlass des Artikels. 🙂 Solltest du tatsächlich dorthin aufbrechen, gib mir gerne Bescheid wie es war.
Viele Grüße!
David