Auf dem Gipfel der Fineilspitze auf 3.514 Meter hatte ich fantastische Ausblicke. Im Süden der Ortler, im Norden die Ötztaler Alpen mit Wildspitze und Weißkugel, östlich gegenüber der Similaun. Ein Traum.
Eigentlich wollten wir den österreichisch-italienischen Grenzgipfel Similaun (3.606 m) besteigen. Doch am Morgen wacht unser erfahrener Bergfreund, der uns über den Gletscher führen wollte, mit pochendem Schädel auf. Eine Nacht in der Similaunhütte auf knapp über 3.000 Meter hatten ihm zur Akklimatisation nicht gereicht. Die Tour fällt also leider ins Wasser. Dafür geht’s auf die gegenüberliegende Fineilspitze.
Einen Tag zuvor akklimatisieren wir uns auf rund 2.000 Meter am Ende des Matschertals. Klaus‘ Bekannter aus Südtirol hat sich auf einem großzügigen Wiesengrundstück zwei Holzhütten errichtet, eine zum Heutrocknen, die andere als schnuckelige Übernachtungsstätte mit kleiner Veranda und einer Matratze zum Schlafen. Für die erste Nacht soll das unsere Schlafstätte werden.
Obwohl es Ende August ist, ist diese Nacht für alpine Höhen sehr warm. Ich krieche vor der Hütte auf der Veranda in den Schlafsack. Über mir ein Sternenhimmel, den Städter so nicht gewohnt sind. Und da: eine Sternschnuppe! Ich schlafe unruhig, wache immer wieder auf, weil ich die Laute um mich herum nicht einordnen kann. Was für ein Unterschied zum ruhigen Schlafzimmer daheim – aber ein schöner. Gegen zwei Uhr in der Früh wird es doch recht kühl, immer wieder streifen Fallwinde meinen Kopf. Ich wechsle in die Holzhütte – und schlafe ein.
Noch am Abend hatten wir Klaus‘ Bruder mitsamt Familie getroffen und uns am nächsten Tag Richtung Similaunhütte aufgemacht. Es soll ein warmer, schwüler Tag werden. Der Anstieg vom Vernagtstausee über den romantischen Tisenhof bis zur Hütte zieht sich. Ein kleiner Bach mit Gletscherwasser ist eine wohltuende Erfrischung für Füße und Gesicht. Unterwegs treffen wir immer wieder auf versprengte Schafherden. Mitte Juni und Mitte September laufen hier gewaltige Herden den Berg hoch und wieder hinunter. Es sind die berühmten Schafübertriebe vom Vinschgau über das Schnalstal, das Niederjoch, den Alpenhauptkamm bis in die Almgründe im Venter Tal und Ötztal.
Am nächsten Morgen geht es wider Erwarten nicht auf den Similaun, sondern auf die gegenüberliegende Fineilspitze. Das Wetter ist traumhaft, für diese Höhe aber viel zu warm. Schon um 7:30 Uhr machen die Schneefelder einen sulzigen Eindruck.
Mein Fazit: Die Fineilspitze ist für ambitionierte Bergwanderer gut zu meistern. Ein Wander-3000er. Wer die Zuhilfenahme der Hände und hier und da ein paar ausgesetzte Stellen nicht scheut, findet eine schöne alpine Herausforderung. Und einen grandiosen Rundumblick über die Ötztaler Alpen und den Vinschgau mit Ortler und Co.