Hochtouren-Anfänger sollten sich diese Tipps nicht entgehen lassen. Sie entspringen meinen eigenen Erfahrungen als Einsteiger.
Am 24. Juni 2015 stand ich als Anfänger auf dem zweiten Gipfel, den ich auf einer Hochtour bestieg. Dieses Mal ging es auf den höchsten Berg Südtirols, den Ortler (3.905 m). Erste Eindrücke vom Gelände und den Schlüsselstellen beim Anstieg hatte ich ein paar Wochen zuvor über ein Video auf YouTube bekommen. Mehr Informationen gab’s nicht.
Die Gipfeltour zeigte dann, dass auch die Route über den Normalweg eine anspruchsvolle Hochtour ist, für die es Klettererfahrung bis zum 3. Grad sowie absolute Trittsicherheit auf Firn und bis zu 40° steilen Schneefeldern braucht. Ich habe mir deshalb gedacht, meine Erfahrungen an Hochtouren-Einsteiger weiterzugeben, da ich denke, dass diese Erfahrungen prinzipiell auch auf andere Hochtouren mit ähnlichem Charakter übertragbar sind.
Zuerst ein paar Dinge, die im Vorfeld der Gipfeltour wichtig sind:
Bergführer buchen
Es gibt Gipfel, da ist man als ambitionierter Bergtouren-Geher schon mal geneigt zu denken: Das geht auch ohne Bergführer. Zumal wenn im Internet noch von „Einsteiger-Hochtouren“ gesprochen wird, für die es lediglich eine gute Kondition und keine allzu großen technischen Voraussetzungen braucht. Und es soll auch schon Leute gegeben haben, die sich auf eine Gletschertour gewagt haben, ohne sich anzuseilen.
Ich rate Hochtouren-Einsteigern, die sich ausprobieren wollen und noch keinen Eiskurs absolviert haben – wo man lernt, mit Steigeisen zu gehen, sich richtig anzuseilen und zur Not auch eine Gletscherspaltenbergung durchzuführen – die Dienste eines Bergführers in Anspruch zu nehmen. Der kostet zwar Geld, ist aber immer noch die sicherere Variante, als sich ohne Hochtouren-Kenntnisse alleine auf den Weg zu machen.
Grundausrüstung kaufen
Zur Basis-Ausrüstung von Hochtouren-Gehern gehören Steigeisen, ein Eispickel sowie ein Klettergurt zum Anseilen. Mein Tipp: Wenn ihr Spaß an Hochtouren gefunden habt und sicher seid, dass ihr das regelmäßig machen wollt, kauft euch diese Ausrüstung selbst. Zwar verleihen die Bergschulen diese Dinge in der Regel mit dem Buchen der geführten Hochtour, doch kann es schon mal vorkommen, dass zum Beispiel die Steigeisen nicht für jeden Bergstiefel passen. Dann müssen sie erst umständlich eingestellt werden, und am Ende sitzen sie vielleicht doch nicht richtig. Mit eurer eigenen Hochtouren-Ausrüstung seit ihr auf der sicheren Seite und könnt alles so einstellen und anpassen, dass es optimal passt.
Frühzeitig anreisen
Bei meiner ersten Hochtour wollte ich eigentlich freitags anreisen, zur Hütte aufsteigen, am nächsten Tag auf den Gipfel und am darauf folgenden Tag wieder abreisen. Die beauftragte Bergschule sagte zwar, dass das prinzipiell möglich sei, riet mir aber von diesem Vorgehen ab. Und das war auch gut so. Schließlich ist die Akklimatisation vor der eigentlichen Hochtour einer der wichtigsten Dinge während der Vorbereitung. Immerhin geht es in den Alpen auf Höhen von mindestens 3.600 Meter, meistens aber auf 4.000 Meter und mehr.
Reist also vor dem eigentlichen Gipfeltag zwei Tage früher an und macht noch ein oder zwei leichtere Bergtouren auf rund 3.000 Meter Höhe. Außerdem schlaft ihr in der Regel in Orten, die bereits durch ihre Höhenlage zur Akklimatisation beitragen. Sulden unter dem Ortler liegt zum Beispiel schon auf rund 1.900 Meter Höhe. Ein weiterer Vorteil dieser Strategie: Ihr gewöhnt euch schon mal ans Auf- und Absteigen und startet nicht von null auf hundert.
In der Ausgangshütte übernachten
Eine Übernachtung in der Ausgangshütte zum Gipfel empfiehlt sich schon allein wegen der Akklimatisation, denn diese Hütten liegen in der Regel auf rund 3.000 Metern, wie zum Beispiel die Similaunhütte oder die Payerhütte in Südtirol. Außerdem könnt ihr am Abend auf der Hütte den folgenden Gipfeltag noch einmal in Ruhe besprechen und euch mental darauf vorbereiten.
Selbst konditionell starke Bergtouren-Geher sollten die Gipfeltour nicht direkt vom Tal aus angehen. Dies sollte Extremsportlern wie Marco de Gasperi vorbehalten bleiben, der von Sulden auf den Ortler und zurück in 2 Stunden und 36 Minuten gerannt – ja, gerannt – ist. Wie es der Zufall will, hatte er just an unserem Gipfeltag seinen Trainingslauf absolviert – und uns beim Abstieg sogar wieder überholt.
Ausreichend schlafen
Klingt banal, möchte ich aber trotzdem erwähnen. Gerade wenn ihr wegen des Höhenunterschiedes nicht gut oder nur unruhig schlafen könnt, sorgt dafür, dass ihr frühzeitig ins Bett geht und euch ausruht. Sieben bis acht Stunden Schlaf sollten es schon sein im Vorfeld der Gipfeltour.
Dinge, die während der Gipfeltour wichtig sind:
Frühzeitig aufbrechen
Hochtouren beginnen in der Regel relativ früh. Je nach Anstiegsdauer gehen Bergsteiger ab 4 Uhr morgens los. Zum Ortler sind wir um kurz nach fünf Uhr aufgebrochen. Der Grund für dieses frühe Aufbrechen ist die Konsistenz des Schnees, der – je nach Sonneneinstrahlung – schon vormittags sulzig wird. Damit steigt die Gefahr des Einbrechens in Gletscherspalten.
An die Steigeisen gewöhnen
Das Gehen mit Steigeisen ist nicht unbedingt schwierig, aber gewöhnungsbedürftig. Wichtig ist, dass ihr etwas breitere, ausladendere Schritte macht, damit ihr euch nicht selbst auf die Füße tretet. Stolpergefahr! Gerade bei steileren Passagen im Schnee kann das gefährlich werden. Achtet auch darauf, dass ihr euch mit den Zacken der Steigeisen nicht in euren Wanderhosen verfangt. Das reißt zum einen Löcher in den Stoff, kann aber auch zum Stolpern führen.
Das Seil zwischen euch und eurem Vorder- und Hintermann sollte immer leicht gespannt sein, nicht durchhängen oder gar auf dem Boden schleifen. Ein Grund ist auch hier die Gefahr, dass ihr mit den Steigeisen auf das Seil tretet und es mit den spitzen Zacken beschädigt. Ich hab‘ so ein ramponiertes Seil schon mal gesehen – und wollte mir nicht ausmalen, dass es reißt, wenn es eigentlich retten sollte.
Auf die Schrittfolge achten
Auf dem Weg zum Ortler-Gipfel erwartet einen nach rund der Hälfte der Tour ein richtig steiles und längeres Schneefeld, das rund 40 Grad abfällt und das man queren muss. In solchem Gelände ist absolute Konzentration gefragt. Gerade in den Morgenstunden sind vorhandene Trittspuren anderer Bergsteiger in der Regel noch gefroren beziehungsweise vereist. Achtet beim Queren des Schneefeldes daher nur auf eure Schritte. Setzt einen Fuß vorsichtig vor den anderen und konzentriert euch nur auf den sicheren Tritt.
Ganz wichtig: Lasst euch nicht durch Stimmen anderer Bergsteiger, die ihr hört, ablenken. Wir neigen dazu, beim Hören von Stimmen aufzuschauen. Dies führt dazu, dass ihr euch nicht mehr auf den sicheren Stand konzentrieren könnt. In abschüssigem Gelände heißt das: Sturzgefahr!
Eispickel richtig einsetzen
Den Eispickel führt ihr bei der Querung eines Schneefeldes immer bergseitig mit euch. So könnt ihr den Pickel tief in den Schnee rammen, damit er euch Halt gibt.
Nur bei sicherem Stand fotografieren
Es gibt auf einer Hochtour wenig Möglichkeiten zu fotografieren. Dafür ist das Gelände oft zu steil, man muss klettern oder zügig über Gletscherspalten gehen. Da bleibt dann wenig Zeit, um die grandiose Landschaft einzufangen.
Fotos macht ihr besser im Rahmen der kurzen Pausen, die ihr auf dem Weg zum Gipfel einlegt. Diese solltet ihr natürlich nur dort machen, wo ihr einen sicheren Stand habt und genügend Platz ist, um den Rucksack abzulegen.